Kurzgeschichte: Die halbe Semmel
Ein Ehepaar hatte seinen fünfzigsten Hochzeitstag. Wie jeden Morgen teilte der Mann die frischen Semmeln in der Mitte und gab seiner Frau die beiden Oberteile. Er behielt die beiden Unterteile für sich. Liebevoll wendete er sich seiner Frau zu und sagte zu ihr: „Wir sind nun 50 Jahre verheiratet, hast du heute zu diesem besonderen Tag einen Wunsch?“„Ja“, meinte die Frau: „Heute hätte ich gerne einmal die Unterteile der Semmeln!“
Der Mann meinte: „Das mache ich gerne, denn seit fünfzig Jahren wünsche ich mir schon die Oberteile, weil diese ja viel köstlicher sind. Ich habe immer nur dir zuliebe darauf verzichtet und mich mit den Unterteilen zufrieden gegeben. Ich wollte aus Liebe dir das bessere Teil zukommen lassen.“
Die Frau schaute ihren Mann mit großen Augen an und es dauerte ein wenig, bis sie ihr Erstaunen in Worte fassen konnte: „Lieber Mann, ich wünsche mir seit fünfzig Jahren die Unterteile, weil die viel köstlicher sind. Jeden Morgen denke ich, was ist das für ein Egoist, immer halbiert er die Semmeln und behält sich die bessere Hälfte. Ich habe es immer hingenommen, weil du ja in allen anderen Dingen ein so liebevoller Mann bist und irgendeine Macke muss ich dir ja lassen.“
Nun fiel dem Mann die Kinnlade runter. Sie starrten sich an, dann fielen sie sich in die Arme und lachten und weinten über ihre Dummheit gleichzeitig.
Richard Weigerstorfer
Der Psychotherapeut Rüdiger Dahlke schreibt in einem seiner Bücher über die gähnende Langeweile in den Schlafzimmern der Deutschen. In den Therapie- und Beratungsgesprächen kommt es immer wieder ans Licht, dass jeder der Partner geheime Wünsche hat, die er sich nicht zu formulieren traut.
Oftmals würden sich diese bei beiden Partnern sogar wunderbar ergänzen. Die geheimen Träume werden aber nicht gelebt, weil man nicht darüber spricht.
Ob Semmel oder Bett, unser Zusammenleben mit anderen Menschen gestaltet sich oft „sehr rücksichtsvoll“. Jeder nickt zu Dingen, die er eigentlich gar nicht will. So geht ein Paar ins Museum, weil es glaubt, dass der Andere es gerne will. In Wirklichkeit wäre es beiden lieber, eine Wanderung zu machen und jeder ist froh, wenn der Museumsbesuch zu Ende ist.
Selbst wenn ein Wunsch von uns nicht den Bedürfnissen des Partners entspricht, wird dieser versuchen, den Wunsch zu erfüllen. Denn in der menschlichen Seele ist es so angelegt, dass sich liebende Menschen immer gegenseitig glücklich machen möchten. Nach dem Motto; „Sehe ich, dass ich meinen Partner(in) glücklich gemacht habe, dann bin ich auch glücklich.“
Dieses „nicht über sich reden können“ hat ganz tiefe Ursachen, die seit Generationen gepflegt werden. So leicht kommt man an diese Programme nicht ran und man will, kann es aber nicht. Vielleicht kennen Sie es auch, dass Sie einmal ein Thema ansprechen wollten, dafür eine günstige Gelegenheit schufen und dann klappte es einfach nicht. Die erlösenden Worte kammen nicht über Ihre Lippen. Stellen Sie sich vor, jeder würde ehrlich sagen, was er sich wünscht? In seiner ganzen Tragweite.
Aus diesem Grunde habe ich den Transmitter „Ich spreche aus“ ausgearbeitet. Es ist erstaunlich, dass erst die lange begrabenen Gedanken und Wünsche ans Licht kommen und dass man sich dann auch diese auszusprechen traut. Ein eindrucksvoller Fall hat sich gleich nach kurzer Zeit der Transmitteranwendung ereignet, den ich Ihnen gerne schildern möchte: Der besagte Mann meinte ein paar Tage nach Anwendung des Transmitters: „ Ich sage nun meiner Frau, dass ich mich trennen will“. Ich bin zu tiefst erschrocken, denn so etwas wollte ich nicht auslösen. Er tat es und bekam zu hören: „Ich bin so erleichtert, dass du dir das auch wünscht, denn auch ich will mich gerne von dir trennen.“ Dieses beiderseitige Eingeständnis löste aber viele lange Gespräche aus, bei denen auch die Ursachen für diese Entwicklung zur Sprache kamen. In der Folge konnten so viele Missverständnisse aufgeklärt werden, sodass nichts Trennendes mehr zwischen ihnen war. Heute sind beide wieder wie ein junges verliebtes Pärchen und denken gar nicht mehr an Trennung.
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